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Herr Pointner, warum gibt es im Mattertal eigentlich so viele Naturgefahren?
Im Mattertal ist ein ganzes Sammelsurium von alpinen Naturgefahren anzutreffen: Da ist zum einen die Topografie. Das Tal ist eng und beide Talwände sind steil Es ist eingerahmt von Bergen mit grosser Erosionsaktivität. Einige Seitentäler sind gefährdet für Murgänge, das heisst den Niedergang eines Gemisches aus Wasser und Geröll. Die hohen Berge um das Mattertal schützen es zwar vor Witterungseinflüssen, aber bei speziellen Wetterlagen kann es hohe Niederschlagsmengen in kurzer Zeit oder intensive Gewitter geben. Weil die Permafrost-Grenze ansteigt, nehmen zudem Naturgefahrenprozesse auch aus höher gelegenen Regionen zu. 

Beim Mattertal Tunnel handelt es sich um ein Grossprojekt. Wie sind Sie bei der Bestimmung der Naturgefahren vorgegangen?
Zunächst haben wir die bestehenden Grundlagen geprüft – Gefahrenkarten und verschiedenste Geodaten etwa. Anschliessend haben wir nachgeschärft, wo die verfügbaren Grundlagen nicht vorhanden oder ungenügend waren. Dafür gibt es von Bund und Kanton für jeden Naturgefahrenprozess eine vorgegebene Methodik wie die jeweiligen Gefährdungsgrade bestimmt werden. Dazu gehören unter anderem Geländeanalysen und Prozesssimulationen. Schliesslich haben wir – wo nötig - neue Intensitäts- und Gefahrenkarten insbesondere zu Steinschlag- und Lawinenprozessen erstellt.

Gefahrenmatrix

Wie haben Sie diese Gefahrenkarten in den Planungsprozess einbezogen?
Wir haben die Daten genutzt, um die Standorte der beiden Tunnelportale zu bestimmen. In Zermatt war der Standort schon so gut wie gegeben. Aber in Täsch war der Entscheid sehr komplex. Neben der Gefahrensituation mussten auch Geologie, Umweltschutz und die technischen Möglichkeiten der Bahn einbezogen werden. Von Anfang an war klar, den Idealstandort für das Portal Täsch gibt es nicht. Aber der gewählte Portalstandort ist der Beste nach Abwägung aller Kriterien.

Welche Gefahren bestehen beim Portal Täsch konkret? 
Am Portal Täsch besteht Steinschlag- und Lawinengefahr. Auch ein Murgang kann nicht ausgeschlossen werden. Gegen Steinschlag werden bereits vor dem Tunnelbau neue Steinschlagnetze erstellt. Als Schutz vor Lawinen und Steinschlag ist zudem eine Ablenkmauer im Portalbereich geplant. Diese wird aber erst während des Portalbaus realisiert. Darum müssen wir während des Baus die Arbeitenden schützen, zum Beispiel mit Lawinensprengungen oder Arbeitsverboten bei besonders kritischen Wetterbedingungen.

Standortwahl Portal Täsch

Und wie sieht es am Portal Zermatt aus? 
In Zermatt haben wir den Vorteil, dass nach Realisierung des Tunnelbaus die Bahnlinie ab Bahnhof komplett gedeckt sein wird. Um die Baustelle zu schützen, werden die bestehenden Steinschlagnetze versetzt. Zudem ist aktuell ein Lawinenverbauungsprojekt in den Schweifinen oberhalb Zermatts in Entstehung. Dieses soll im Portalbereich vor Baubeginn fertiggestellt werden. So ist die Gefahr «von ganz oben» gebannt. Weiter unten im Tal ist sie einfacher kontrollierbar.

Ein besonderes Augenmerk gilt ausserdem dem Sicherheitsstollen Grüebe. Er kommt mitten in der Gefahrenzone für Lawinen- Hochwasser und Sturzprozesse zu liegen. Dort ist es nicht möglich, genügend hohe Bauwerke zum Schutz der Baustelle zu erstellen. Es ist darum eine Serie von Sprengmasten am Berg geplant. Mit regelmässigen kontrollierten Lawinensprengungen soll für Sicherheit gesorgt werden. Nach Fertigstellung des Sicherheitsstollens wird auch dieser Bereich vollständig gedeckt und somit gesichert sein.

Wie werden denn die gefährdeten Abschnitte während des Baus überwacht?  
In den Felswänden zwischen Täsch und Zermatt sind die Gefahrenherde zahlreich und diffus. Ohne klar definierte Gefahrenstellen macht ein technisches Monitoring wenig Sinn. Darum arbeiten wir mit baulichen Schutzmassnahmen wie Dämmen, Ablenkmauern oder Schutznetzen. Dazu behalten wir die Situation ständig im Blick und werden Überwachungsmassnahmen einsetzen. Naturgefahrenbeobachter des regionalen Sicherheitsdienstes geben in den Wintermonaten täglich Prognosen zur Lawinengefährdung ab. Bei besonderen Wetterlagen kann die Baustelle gesperrt werden. 

Wie wird der Tunnel die Gefahrensituation im Mattertal verbessern? 
Die Strecke zwischen Täsch und Zermatt ist heute stark exponiert und häufig von Unterbrüchen durch Naturereignisse betroffen. Durch den Tunnel kann dieser wichtige Streckenabschnitt geschützt werden. Aber es gibt natürlich auch tiefer im Tal zwischen Täsch und Stalden noch viele weitere Gefahrenzonen. In Vergangenheit wurde bereits enorm in die Sicherheit investiert. Diese Bemühungen gehen weiter. Es bestehen zahlreiche Schutzbau-/Unterhalts- oder Überwachungsprojekte sowohl für die Matterhorn-Gotthard-Bahnlinie als auch für die Kantonsstrasse oder die Gemeinden im Nikolaital. Wir müssen die Situation im Mattertal auch in Zukunft beobachten, überwachen und uns auf Veränderungen einstellen.

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